Die nüchterne Neugier: Wie die Gen Z das Wohlbefinden neu definiert und dem Alkohol die kalte Schulter zeigt
Eine neue Generation ist dabei, die Welt der Gesundheit und des Wohlbefindens ordentlich aufzumischen – und das nicht mit dem neuesten Diät-Wahn. Die Generation Z, also alle, die zwischen 1997 und 2012 geboren wurden, verfolgt einen erfrischend proaktiven und ganzheitlichen Ansatz für ihr Wohlbefinden. Dabei zeichnet sich ein bemerkenswerter Trend ab: Im Vergleich zu den Millennials und Baby Boomern vor ihnen, sagen sie immer öfter “Nein, danke” zu Alkohol. Das ist keine bloße Rebellion, sondern eine bewusste Entscheidung, die tief in einem neuen Verständnis für mentale und körperliche Gesundheit verwurzelt ist und stark von der digitalen Welt, in der sie aufgewachsen sind, beeinflusst wird.
Für die Gen Z ist die seelische Gesundheit kein Tabuthema mehr, sondern ein zentraler Baustein ihres Lebens. Wohlbefinden ist für sie ein vielschichtiges Mosaik, das weit über körperliche Fitness hinausgeht und mentale Klarheit, emotionale Ausgeglichenheit und ein starkes Selbstwertgefühl umfasst. Genau dieser Fokus auf das innere Gleichgewicht ist einer der Hauptgründe für ihre veränderte Einstellung zum Alkohol [3].
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Studien zeigen, dass die Gen Z rund 20 Prozent weniger Alkohol pro Kopf konsumiert als die Millennials [1]. In Deutschland ist der Alkoholkonsum bei den 18- bis 25-Jährigen seit den 70er Jahren sogar um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Waren es 1976, als die jungen Erwachsenen zur Generation der Baby Boomer gehörten, noch 70 Prozent, die mindestens einmal pro Woche Alkohol tranken, so sank dieser Wert bis 2021 auf nur noch 32 Prozent [2].

Eine Gen Z Person inszeniert ihren modernen Wohlfühl-Schrein für Instagram. Titel der Karikatur: „Glaube, Liebe, Self-Care“.
Die “Sober Curious”-Bewegung: Nüchtern aus Neugier
Angetrieben wird dieser Wandel von der sogenannten “Sober Curious”-Bewegung. Der aus dem Englischen stammende Begriff lässt sich am besten mit “nüchtern aus Neugier” übersetzen. Es geht darum, die eigene Beziehung zum Alkohol kritisch zu hinterfragen und ein Leben ohne oder mit weniger Alkohol auszuprobieren – ganz ohne den Druck, sich für immer zur Abstinenz verpflichten zu müssen [4]. Diese Bewegung trifft genau den Nerv der Gen Z, die nach Authentizität und einem bewussten Lebensstil strebt.
Das Resultat? Der Markt für alkoholfreie und alkoholreduzierte Getränke boomt. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen man sich auf Partys für sein Wasser oder seine Cola rechtfertigen musste. Heute gibt es eine riesige Auswahl an kreativen Mocktails, alkoholfreien Bieren und Weinen, die geschmacklich überzeugen und das Feiern ohne Rausch zu einem Genuss machen [5]. Selbst “Dry Bars”, also komplett alkoholfreie Kneipen, erfreuen sich wachsender Beliebtheit und zeigen, dass Geselligkeit und gute Stimmung keinen Alkohol brauchen.
Mentale Gesundheit steht an erster Stelle
Im Zentrum der Gesundheitsphilosophie der Gen Z steht ganz klar die mentale Gesundheit. Diese Generation spricht offener als jede zuvor über psychische Probleme und sucht aktiv nach Hilfe. Studien zeigen, dass junge Menschen zwischen 16 und 29 Jahren sich sehr bewusst mit ihrer Gesundheit auseinandersetzen, sich nach der Pandemie aber auch ausgelaugt und psychisch erschöpft fühlen [6].
Diese Wahrnehmung wird durch die aktuelle Sinus-Jugendstudie von 2024 untermauert. Sie zeigt, dass die Generation angesichts permanenter Krisen zwar besorgt ist, aber gleichzeitig nach Stabilität und einem geordneten Leben strebt. Werte wie Sicherheit und Halt gewinnen an Bedeutung, und der Wunsch nach einer konventionellen Zukunft mit fester Partnerschaft und sicherem Job rückt in den Vordergrund [7]. Dieser Wunsch nach Kontrolle und Wohlbefinden steht im direkten Kontrast zu den Unwägbarkeiten des Alkoholkonsums.
“Die Seele leidet im Pandemie-Alltag”, erklärt die Zukunftsforscherin Corinna Mühlhausen in einem Interview. “Dieser Altersgruppe hilft, dass sie offener als ältere Generationen über psychische Probleme reden können, in sozialen Medien oder auch mit den Eltern.” Die digitale Welt ist dabei Segen und Fluch zugleich. Während Social Media Druck und Ängste schüren kann, bietet es gleichzeitig Zugang zu unterstützenden Gemeinschaften und wichtigen Ressourcen [3].
Ein ganzheitlicher und bewusster Lebensstil
Der gesunde Lebensstil der Gen Z ist ein Gesamtpaket. Es geht um körperliche, mentale und sogar finanzielle Aspekte. Viele trinken weniger, um Geld zu sparen und die negativen Folgen eines Katers zu vermeiden. Sie treiben regelmäßig Sport, achten auf ausreichend Schlaf und eine bewusste Ernährung. Dabei geht es ihnen aber nicht darum, einem unrealistischen Ideal hinterherzujagen. Sie verstehen, wie wichtig Balance und Selbstfürsorge sind.
Interessanterweise führt dieses Bewusstsein nicht zwangsläufig zu komplettem Verzicht. Während der Anteil an Veganern und Vegetariern in der Gen Z tendenziell höher ist, gibt es auch eine beträchtliche Gruppe, die weiterhin Fleisch konsumiert. Es scheint, als ginge es mehr um bewusste Entscheidungen als um strenge Dogmen.

Zwei Hände, zwei Wege: Links die Verlockung des klassischen Cocktails in dunkler Bar-Atmosphäre, rechts die bewusste Entscheidung für frisches Wasser mit Zitrone und Minze im hellen Tageslicht. Ein Bild für den Moment der Wahl zwischen Tradition und neuem Wohlbefinden.
Die Zukunft ist achtsam
Der Wandel im Trinkverhalten der Gen Z ist mehr als nur ein kurzlebiger Trend. Er spiegelt eine grundlegende Veränderung darin wider, wie eine ganze Generation ein gesundes und erfülltes Leben für sich definiert. Ihre Priorisierung der mentalen Gesundheit, ihr achtsamer Konsum und ihre digitale Intuition formen nicht nur die Getränkeindustrie neu, sondern setzen einen neuen Standard für das Wohlbefinden insgesamt. Es ist eine Entwicklung, die uns alle dazu einlädt, unsere eigenen Gewohnheiten zu hinterfragen und vielleicht selbst ein wenig “Sober Curious” zu werden.